Oekologische Beratung

Markus Baggenstos
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Pressetext vom 19.8.2005

Zwei Neufunde: Die Nidwaldner Haarschnecke ist nicht mehr allein

Am Chaiserstuel (NW) ist seit 90 Jahren das weltweit einzige Vorkommen einer Schnecke bekannt, die daher den Namen Nidwaldner Haarschnecke erhielt. Arten mit einem solch kleinen Areal werden in der Wissenschaft endemisch genannt. Im Rahmen der Überprüfung der «Roten Liste» der gefährdeten Landschnecken entdeckte der Stanser Biologe Markus Baggenstos zwei neue Standorte und hofft auf weitere. Denn die Überlebenschancen der Haarschnecke steigen mit jedem zusätzlichen Vorkommen.

Die Nidwaldner Haarschnecke ist eine endemische Art, eine Art, die nur auf einem kleinen Areal vorkommt. Man nimmt an, dass sie früher weiter verbreitet war. Während den Eiszeiten zog sie sich jedoch auf die eisfreien, klimatisch günstigen Gipfelregionen der Voralpen zurück – wie etwa dem Chaiserstuel im Kanton Nidwalden. Hier überlebte sie spezialisiert auf die extremen natürlichen Bedingungen ihres Lebensraumes, wo sie der Basler Naturforscher Leo Eder im Jahr 1916 entdeckte. Eder und nach ihm Generationen von Schneckenforschern suchten die Art in der Folge an vielen anderen Örtlichkeiten. Vergeblich. Die Population am Chaiserstuel blieb weltweit die einzige und galt daher als stark gefährdet und vom Aussterben bedroht.

Die Überprüfung der Roten Liste – die Liste der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tiere – brachte nun zwei neue Standorte zu Tage, nachdem vor kurzem Jörg Rüetschi auf der Bannalper Schonegg auf der Urner Seite ein neuer Fund gelang, wo Eder vergeblich gesucht hatte. Der Stanser Biologe Markus Baggenstos machte sich auf die Suche nach der seltenen Art und entdeckte weitere Populationen auf dem Schwalmis (UR) und auf dem Widderfeld (OW). Ein Prise Glück, vor allem aber geologische Überlegungen und seine vegetationskundlichen, regionalen Standortkenntnisse, hatten ihm geholfen.

Laut Baggenstos weisen alle Lebensräume der Nidwaldner Haarschnecke grosse Parallelen auf. Alle Fundorte liegen in ehemals nicht vergletscherten Zonen, zwischen 2100 und 2350 Meter über Meer und sind südexponiert. Der Untergrund besteht aus plattig verwittertem Kalkstein. Die Vegetationsdecke ist lückig und wird vom wärmeliebenden Blaugras beherrscht. Die Nidwaldner Haarschnecke scheint also eine stark geschlossene Vegetation, reine Schutthalden und Standorte mit langer Schneebedeckung zu meiden. «Vor allem aber müssen genügend Schutzmöglichkeiten unter Kalksteinplatten vorhanden sein. Sie sind im Sommer Wärmespeicher und ermöglichen das Aufwachsen der Jungtiere. Gleichzeitg schützen sie vor Austrocknung während den Schönwetterperioden.» Die Nidwaldner Haarschnecke hat auch ihr Gehäuse diesen sehr speziellen Bedingungen angepasst: Die abgeflachte Gestalt ihres Gehäuses ist geradezu ideal, damit sie unter die Steinplatten kriechen kann.

Die beiden neuen Standorte befinden sich auf verschiedenen Gebirgsketten in rund fünf und elf Kilometern Entfernung vom Chaiserstuhl und sind durch Täler getrennt. Die Ausdehnung der Populationen ist in allen Fällen äusserst klein. Jene auf dem Widderfeld etwa erstreckt sich höchstens über ein bis zwei Hektaren Weideland. Baggenstos vermutet, dass weitere Restpopulationen der Haarschnecke unter ähnlichen Bedingungen überlebt haben könnten. Noch ist sehr wenig über die Biologie dieser geheimnisvolle Art bekannt. Jörg Rüetschi, der Leiter des Projekts «Aktualisierung der Roten Liste der Landschnecken der Schweiz», bezeichnet die beiden Funde als sensationell: Funde dieser Art seien nicht nur für die wissenschaftliche Forschung wichtig. Sie lieferten auch entscheidende Hinweise zur Einschätzung der aktuellen oder zukünftigen Bedrohung von Tierarten. «Es ist zu hoffen, dass wir bald mehr über die Nidwaldner Haarschnecke wissen. Vor kurzem gelang auch mir an der Bannalper Schonegg, auf der Urner Seite des Chaiserstuels, nahe des bisher bekannten Lebensraums, ein neuer Nachweis der Haarschnecke.»

Auch nach den zwei Neufunden am Schwalmis und am Widderfeld bleibt die Nidwaldner Haarschnecke eine seltene Art, die wegen ihrem äusserst kleinen Verbreitungsgebiets zu Recht auf der Liste der geschützten Tiere aufgeführt ist. Da alle drei nun bekannten Lebensräume teilweise bestossen werden, scheint ihr die extensive Beweidung nicht zu schaden. Sobald aber die Steinplatten entfernt würden, sei dies durch Terrainveränderungen oder eine intensivere Beweidung, wäre ihr Überleben bedroht. Bleibt zu hoffen, dass die zuständigen kantonalen Fachstellen des Naturschutzes diese Reliktlebensräume durch entsprechende Artenschutzprogramme sichern werden.

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